Astro-logisch? Astro-logisch!

Denken zum Zwecke der Erkenntnis kann in unterschiedlicher Weise stattfinden:
a) analytisch, auf kausalen Begründungen aufbauend oder
b) analog, durch Assoziationen zu Stande kommend.

Beides hat seine eigene Logik und seine eigenen Einsatzgebiete; es geht nicht darum, sie gegeneinander auszuspielen. In der Astrologie ist beides nützlich, denn sie hat einen nüchter­nen, mathemati­schen, wissenschaftlichen, objektiven Anteil und einen philosophischen, psy­chologi­schen, poeti­schen, subjektiven. Fakten werden interpretiert und das ist hier sogar fast künstlerisch gemeint (so wie ein Musikstück interpretiert wird).

Das Welt- und Menschenbild der Astrologie, von einigen auch Astrosophie genannt, bietet als praktische Lebenshilfe uhrenähnliche Denkmodelle an, um in der Fülle des Lebens Strukturen zu erkennen und in der Wirrnis des Alltags Orientierung zu finden. Die Symbolsprache der zu deutenden Grafik basiert einerseits auf einer erlernbaren astro-logischen „Grammatik“, anderer­seits auf dem persönlichen Geschick des Astrologen. Dieses Geschick setzt sich zusammen z.B. aus Kombinationsvermögen, Berufs- und Lebenserfahrung, Menschenkenntnis, Vorstellungs- und Einfühlungsvermögen, Spontaneität, Intuition sowie den Fähigkeiten zu assoziieren und – nicht zuletzt – zu verbalisieren.

Denken in Analogien heißt plausible oder didaktisch eindrückliche Gleichnisse oder Metaphern zu finden, die jemandem einen symbolischen, vielleicht komplexen Inhalt in einem Bild, einem Vergleich so nahe bringen, dass nicht nur die Übersetzung der symbolischen „Fremdsprache Astrolo­gie“ in die Alltagssprache gelingt, sondern bei der zuhörenden Person auch ein bestimmtes Potential wachgerufen wird, das die Botschaft aufnimmt und kreativ umsetzt.

Die in der Astrologie häufigst zitierte Analogie ist der Satz: „Wie oben so unten“. Er meint: so wie man am Himmel dieses oder jenes abliest, so entsprechen auf der Erde diese oder jene Dinge und Geschehnisse. Wenn es um zeitliche Parallelen geht, kommt man auf den von C. G. Jung geprägten Begriff „Synchronizität“. Denken in Analogien führt zu einem völlig ande­ren Verständnis von Astrologie als kausal-rationales Denken. Analoges Denken muss deshalb aber nicht irrational sein.

Ausbruch des Tambora, Indonesien (10. April 1815). Stärkste Vulkaneruption seit ca. 25.000 Jahren. Unmittelbar ca. 80.000 Tote. Wegen Aschenwolke Klimaveränderung: 1816 in Europa und USA „Jahr ohne Sommer“ mit Hungersnot, Wirtschaftskrise, Emigration, Krankheiten und Toten.

Ein rein kausal-rational Denkender sucht nach den Ursachen einer astralen Wirkung bei der chemi­schen Zusammensetzung der Himmelkörper und den Gravitations- oder elektromagneti­schen Feldern mit Auswirkungen z.B. auf bestimmte Regionen unseres Gehirns oder auf den Globus. Und wenn er mit dieser Denkweise nichts findet, kommt er zum Urteil, dass Astrologie Quatsch sei. Das basiert auf einer materialistisch-mechanistischen Einstellung. Manche sagen, dies sei rein naturwissenschaftlich.

 

Von einigen erwarteter Weltuntergang (3. 5. 2000)

Den Planeten ist es natürlich egal, wie es uns geht und was wir aus unserem Leben machen – sie wollen nichts und machen nichts. Konsequent analog gedacht, braucht es keine „Wirkung“, um das Funktionieren von Astrologie zu „erklären“. Der Mensch liest an den Konstellationen wie in einem Spiegel etwas ab, was mit uns hier zu tun hat. Geht es um eine individuelle Spiegelung, nennt man das Selbsterkenntnis; geht es um eine kollektive, kann sie zur Beurteilung von Massenphänomenen oder zur Einordnung historischen Geschehens herangezogen werden.

Terroranschlag auf World Trade Center New York (11. September 2001)

So wie die Uhr nicht die Zeit bewirkt, so „beeinflussen“ die Gestirne nicht unser Geschehen. Es ist zwar sehr fraglich, wie viel „freien Willen“ wir tatsächlich haben, aber wir sind auch nicht die Marionetten einiger Himmelskörper. Hingegen kann das astrologische Diagramm als Abbild einer Konstellation wie eine Landkarte, ein Kompass oder ein Zifferblatt benutzt werden.

 

 

Beispiele einleuchtender Analogien, an denen astrologische Denkweise aufgezeigt werden kann:

Tatsachenbeschreibung Astrologische Deutung
Mond Der Mond ist kein „selbständiger“ Himmelskörper, sondern ein Trabant. Seine Bahn ist schwierig zu berech­nen, da er ähnlich einem fliegenden Pingpong-Ball empfindlich auf Störungen reagiert und sein Lauf allerhand Schwankun­gen aufweist. Er wechselt schnell seine Position und durch die Phasen sein Aussehen: er ist mal voll, mal leer. Das von ihm aus­ge­hende Licht ist nur von der Sonne reflek­tiert (gespie­gelt). Er ist das beherr­schende Phänomen des Nachthimmels. Das Wort „Laune“ kommt von „Luna“ = Mond. Der Mond beschreibt Gefühle, die Stimmungslage. Er ist besonders in Kindern personifiziert. Ihre Verfassung ist schwankend und wechselhaft, sie reagieren stark auf alle Einflüsse, ihr Äußeres verändert sich schnell, sie sind noch weich und formbar. Sie gehen noch keine eigene Bahn, sind unselb­ständig, oft schwer berechenbar, sie spiegeln und imi­tieren die Erwachse­nenwelt, ihr Bewusstsein schlummert noch im Dunkeln, sie träumen auch tags gerne.
Neumond Ein Zyklus geht zu Ende, ein neuer fängt an, ein Kreis schließt sich. Selbst ohne Wolken ist es stockdunkel, man sieht fast nichts. Die Kräfte nehmen ab, oft ist man müde, lustlos. Gute Zeit, um zu Ruhen, aufzuräumen, etwas abzuschließen, bevor man etwas Neues beginnt. Oft auch begleitet von Verwirrung und dem Gefühl  „im Dun­keln zu tappen“, d.h. nicht zu wissen, was man machen soll.
Saturn Der letzte mit bloßem Auge gut sicht­bare Planet. Er bildet die Grenze zu den „nicht sichtbaren“ Planeten und schließt die Gruppe der seit Menschen­gedenken bekannten Pla­neten ab. Das Sonnensystem wurde bis zur Entdeckung von Uranus mit Sonne in der Mitte und Saturn am äußeren Rande abgebildet. Jenseits von Saturn begann das All. Steht für Abgrenzung und für die Grenze der sichtbaren zur unsichtbaren Welt, für die Endlichkeit der Materie, für Stoffliches, Realität, Schutz, Verteidigung, Sicherheit, Ver­dichtung, Bremse, Strenge, Prüfung. Er ist der Gegenpol zu der Licht und Wärme (Vitali­tät, Kraft) verströ­menden Sonne: Ver­neinung, Kontrolle, Starre, Ernst, Last, Pflicht, Regel, Verbot, Dogma. Er gilt als „Hüter der Schwelle“.
Uranus Der nächste Planet „hinter“ Saturn wurde erst 1781 entdeckt als die Technik (Fernrohre) genügend ent­wickelt waren. Im selben Jahr ging der ameri­kanische Unabhängigkeitskrieg zu Ende, hob Kaiser Joseph II die Leibeigenschaft auf und Kant ver­öffentlichte seine „Kritik reiner Vernunft“. Die Achse des Plane­ten liegt quer zu seiner Um­lauf­bahn. Er symbolisiert die Suche nach Alter­nativen, den Aufbruch zu neuen Ufern, den Ausbruch aus Konventi­onen, den Durchbruch zu Idealen und steht für eine Utopie. Er repräsentiert Aufklärung, Fortschritt, Innovation, Moderne, Freiheits­bedürfnis, Systematik, Forscher­drang, Perfektion, Technik (Geräte und Methode), aber auch Außenseitertum, Provokation, Querulantentum, Lösungen finden, Lösung = Tren­nung.
sekundär
Progression
Diese Methode zur Beschreibung einer der „inneren Uhren“ basiert auf der Analogie: 1 Tag nach der Geburt entspricht 1 Jahr nach der Geburt. Die Konstellationen am 22. Tag nach der Geburt werden zu Aussagen über das 22. Lebensjahr benutzt, die des 50. für das Jahr nach dem 49. Geburtstag etc.

Astrologie muss weder abgehobene Flucht in die Ferne noch Fixierung auf heidnische Kräfte bedeuten. Wir nehmen die „Zeichen der Zeit“ wahr und entschlüsseln sie per analogem Denken. Wie in anderen Fächern auch wird beobachtet, verglichen und inter­pretiert. Sich zwar auf Fakten abstützend gehen Interpretationen jedoch immer über diese selbst hinaus und vermischen sich mit persönlichen Aspekten des Interpreten: die einzelnen Darstellungen bekommen eine Färbung, eine eigene Note, unverwechselbare Akzente, möglicherweise einen eigenen Humor. Das passiert über­all mehr oder weni­ger, besonders deutlich ist es in den Geisteswissenschaften und in den Künsten wie Musik und Theater. Deshalb ist es natürlich, dass jemandem ein Stück mit dem einen Interpreten besser gefällt als mit dem anderen, selbst wenn sie fachlich beide (z.B. als Schauspieler oder Musiker) gleicher­maßen kompetent sind. Mit dem einen oder anderen Therapeuten oder Astrologen (seiner Persönlichkeit, seiner Methode, seiner Sprache) kann man besser als mit einem anderen: jedenfalls ist es für beide günstiger, wenn die Chemie stimmt.

Carl Gustav Jung (26. 7. 1875)

Der Psychoanalytiker C. G. Jung definierte den Begriff „Synchronizität“. Er meinte damit das mehr oder weniger gleichzeitige Auftreten von Ereignissen, die kausal nicht mit einander verknüpft sind, die jedoch eine symbolische Beziehung unter­einander verbindet, womit sie für den Beobachter in einem Sinnzusammenhang stehen. Es geschieht etwas im seelischen Bereich eines Menschen oder taucht in seinen Vorstellungen auf, das in der Außenwelt in einem davon kausal unabhängigen Phänomen gespiegelt wird. Durch die Sinnfindung (Deutung) entdeckt man Zusammenhänge, bekommt man Antworten, findet Lösungen von Problemen, sieht Auswege aus Krisen.

Es geht um die Verbindung von Psyche (Ich, innen) und Materie (Welt, außen), die nicht in der Alltagslogik begründet jedoch mehr als nur ein Zufall ist und für das erlebende Individuum einen Sinn hat. Wenn kein kausal-rationales Prinzip (a) offensichtlich ist, so mag ein „analoges“, geistiges oder archetypisches Prinzip oder eine Symbolik (b) „dahinter“ stecken. Z.B.:

a) Eine Kausalkette liegt in folgender Geschichte vor: Ich fahre seit 5 Minuten im Auto, es beginnt zu regnen und ich verspäte mich etwas, weil ich noch einmal nach Hause zurückkehre, um Schirm und Mantel mitzunehmen; dort werde ich noch von der Nach­barin kurz auf­gehalten, die mich auf mein offenes Fenster aufmerksam macht. Die Straßen werden wegen des Regens voller, da viele Leute jetzt lieber ein Taxi statt öffentlicher Ver­kehrsmittel oder der eigenen Füße benutzen. Durch die Ver­zögerungen gerate ich in den Berufsverkehr, den ich vermeiden wollte, und komme noch langsamer voran, bis ich hungrig und etwas entnervt aufgebe, denn meinen angepeilten Termin kann ich ohnehin nicht mehr wahrnehmen. Ich fahre in eine Raststätte und esse eine Kleinigkeit bis der Regen aufhört und der Verkehr abnimmt. Später höre ich im Radio, warum das Wetter umschlug und dass wegen Aquaplaning ein zusätzlicher Unfall den Stau aus­löste.

b) Folgende Geschichte ist ganz anderer Art: Ich grübele während einer Autofahrt darü­ber, von wem ich letzte Nacht träumte und was ich ihn aus einem unbe­stimmten inne­ren Druck fragen wollte, bis ich merke, dass die Autonummer des Wagens vor mir, den ich schon längere Zeit erfolglos überholen möchte, mir das Geburtsdatum eines alten Freundes vor die Nase hält. Es tauchen Erinne­rungen auf, ich assoziiere dies und das, bis ich nicht mehr konzentriert genug bin und aus einer „Laune“ heraus am nächsten Rastplatz Halt mache. Dort treffe ich „zufällig“ ausge­rechnet den Freund, an den ich vorher dachte, der aber diese Strecke sonst nie fährt. Wäh­rend des Gesprächs fällt mir wieder ein, was ich ihn im Traum fragen wollte, aber es hat sich erüb­rigt, weil er mir kurz vorher ganz beiläufig einen Tipp gab, der mir bei einer kniffligen Angelegenheit in den kommenden Tagen sehr nützlich sein wird. Jetzt wird mir auch klar, woher dieser innere Druck kam. Ohne Ursache und Wirkung ergibt sich hier ein durchaus sinnvolles Zusam­menspiel von Begebenheiten.

In der ersten Geschichte finden die Dinge „auf gleicher Ebene“ statt, es ist alles logisch und erklärbar, irgendwie nüchtern und fast banal. Das eine ist die Ursache des nächsten, ein Schritt ergibt sich aus dem vorhergehenden. In der zweiten Geschichte kommt man mit alltäglichen Erklärungsmustern nicht weiter. Wenn Derartiges nicht nur ein Mal passiert und man es als Zufall abtut, dann ist man geneigt eine andere Dimension, sei es eine „höhere Macht“ oder die „Tiefen eines unbewussten Großen und Ganzen“ mit ins Spiel zu bringen. Man kann sich darüber forschend den Kopf zerbrechen oder man kann sich auf diese Dimension, auf diese Energien und ihre symbolischen Manifestationen einlassen, indem man seine Intuition „pflegt“ und sich für die Zeichen der Zeit sensibilisiert.

Genau das tut Astrologie, indem sie akausale Verbindungen zwischen zwei unter­schiedlichen Ebenen aufdeckt, der irdischen und der kosmischen, der des realen Geschehens und derjenigen der planetarischen Konstellationen und Bewegungen. Die physische, himmelsmechanische Wirklichkeit bildet man in einem System, einem symbolischen, kybernetischen Modell ab und überträgt dieses in der Inter­pretation auf unsere Situation, macht einen Vergleich mit der Realität.

Paramahansa Yogananda (6. Januar 1896)

In der Psychologischen Astrologie wird die Deutung außerdem von der Fixierung auf äußere Ereignisse verlagert auf die psychisch-geistige Entwicklung, also im Sinne der Synchronizität auf die Sinnfrage und das Finden eines guten Wegs. Das ist eine andere Denkweise als von „Einflüssen“ der Planetenkörper und direkten „Auswirkungen“ auf den Menschen auszugehen. Analoges Denken und synchronistischer Umgang mit Astrologie schließt allerdings nicht aus, dass es eines Tages zusätzliche, bisher noch nicht gefundene, kausale Erklärungen für das eine oder andere astrologi­sche Phänomen gibt. Gleichzeitig bedeutet es jedoch auch nicht, dass Astrologie eine irrationale Beschäftigung sei. Synchronizität und analoges Denken wer­den bloß weni­ger in der Naturwissenschaft angewendet als da, wo es um Sinn­fragen und Interpreta­tion geht, wie dies besonders in therapeutischen und auf die Künste bezoge­nen Gebieten praktiziert wird.